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  • AutorenbildSarah Leuenberger

Märchenwald Fanal

„Das Wandern ist des Müllers Lust, das Wandern ist des Müllers Frust - das Waaandern.“

Ob Lust oder Frust, das ist immer Ansichtssache. Auf der Blumeninsel Madeira ist es für mich zumindest immer eine große Freude, wenn ich meine Wanderschuhe schnüre, den Rucksack mit Proviant fülle und einfach loslaufe. Egal, ob entlang den spektakulären Wasserkanälen, den Levadas, durch die Lorbeerwälder oder gar über die kargen Berge auf fast 2000 Metern über Meer. Madeira bietet eine unglaublich breite Palette an Wanderwegen. Pfade, auf denen man mutterseelenalleine wandert, nur der Natur und ihren teils unheimlichen Geräuschen lauscht. Das ist für mich echter Wandergenuss. Als Reiseleiterin und Wanderführerin möchte ich meinen Gästen natürlich nur die schönsten Ecken und Enden der Insel zeigen. Dazu gehört ganz sicher die Hochebene Paul da Serra, welche über vier Auffahrten erreichbar ist. Die meisten Besucher wählen für ihre Anfahrt die Südseite (via Canhas oder Loreto bei Calheta).

Paul da Serra, Naturschutzgebiet mit hoher Nebel-Chance

Auf dem Hochplateau angekommen, das heißt zwischen 1400 -1600 Höhenmeter, staunt man erst mal nicht schlecht. Ein Warnschild mit „Achtung Kühe“ bereitet die Autofahrer sanft auf eine mögliche Begegnung mit freilaufenden Kühen vor. Wenn man den Blick schweifen lässt, bleibt einem der Atem stocken, denn die Landschaft ist schlicht und einfach ATEMBERAUBEND!

Ein Weitblick ins Niemandsland, kein Horizont in Sicht, in the middle of nowhere, so ganz karg und stachelig ist es hier oben. Man sieht Steine, Gräser, Farn und Stechginster, eine Strasse und ab und zu mal ein anderes Auto. Die auf der Hochebene platzierten Windkraftwerke und Solarpannels erscheinen riesig, doch auch hier will man künftig vermehrt auf Alternativenergien setzen. Seit 1984 gilt Paul da Serra als Naturschutzgebiet, obwohl die Portugiesen einst daran dachten, hier oben den Flughafen zu bauen. Eine Schnapsidee, wenn man bedenkt, dass die Hochebene 255 Tage im Jahr im Nebel steckt! Apropos: man sollte einen wirklich tollen Tag wählen, um hier zu wandern.

Auf und ab nach Fanal!

Meine Lieblingswanderung beginnt beim Pico dos Assobiadoures (1420m) an der Regionalstrasse E.R 209 bei einem kleinen Parkplatz. Hier oben warten weder öffentliche Busse noch Taxis auf Kundschaft. Links des Parkplatzes weist eine Tafel auf den unscheinbaren Einstieg zur Wanderung entlang des Weges PR 13 nach Fanal. Zu bewältigen sind 10.8km,

für die man erfahrungsgemäß rund vier Stunden benötigt. Zuerst geht es über einen weichen Erdweg, Treppenstufen hinunter und wieder hoch, aber nie wirklich so, dass man zu arg ins Schwitzen käme. Baumheiden, Besenginster, Farne und Madeira-Heidelbeeren zieren die Wegränder. In der ersten Wanderstunde kreuzt man die Regionalstrasse E.R 209 gleich zwei Mal, ein allfälliger Begleitbus wäre also nie weit.

Hier findet sich auch ein schöner „Parque de Merenda“, ein Picknick-Platz, welcher zu einem Boxenstopp einlädt. Sobald die Batterien wieder aufgeladen sind, nehmen wir den Weg erneut unter die Füsse. Bald schon zeigt sich uns das immergrüne Tal von Rabaçal, welches seit 1999 zum UNESCO Weltnaturerbe gehört. Grün,grün,grün, soweit das Auge reicht - aber halt, da ist ja noch ein Haus! Oder besser gesagt: ein Häuschen! Das Forsthaus von Rabaçal ist der Ausgangspunkt für verschiedene Levada-Wanderungen im Naturschutzgebiet. Leider sind diese Wege sehr überlaufen, sogar Kreuzfahrten-Touristen finden sich hier ein, um das großartige Schauspiel der Natur nicht zu verpassen. Manche auch in Flipflops oder High Heels, Hauptsache man war hier und kann etwas mehr auf der "to see" Liste abhaken. Der Weg verläuft weiterhin mit vielen Auf - und Abstiegen… fast wie auf einem richtigen Rollercoaster, allerdings für alle Übelkeits-frei. Weiter gehts durch ein Wäldlein, über romantisch-anmutende Holztreppen, vorbei an alten Heiden. Lustige Farne zieren den Wegrand und weisen die Menschen in ihre ganz eigene Märchenwelt.

Die Magie des uralten Lorbeerwaldes

Das Highlight des Weges ist für mich der Schluss. Wie anders die Gegend nach Verlassen des Waldes plötzlich aussieht! Ein saftiges Grün, welches mich immer an Irland denken lässt, Kühe auf einem breiten Schuttsteinweg, die man ganz ruhig passieren kann. Nun rückt auch unser Ziel Fanal in Sicht. Um einen Hügel mit vielen abgebrannten Heiden herum geht es in den Lorbeerwald von Madeira, den Laurisilva, ebenfalls Naturerbe der Insel. Manche dieser uralten Lorbeerbäume sollen schon die Entdeckung Madeiras im 1419 miterlebt haben. Knorrig und mit Flechten behangen markieren sie ihre Präsenz, vom Wind gebeugt halten sie seit Jahrhunderten dem verrückten Inselwetter stand. Verwachsenes Moos, ein besonderer Touch von Märchenwald und Zauberfeen, der Ort wäre ein wunderbar magisches Filmset. Jedes Mal, wenn wir im Lorbeerwald ankommen, werden alle ganz still. Private Gespräche verstummen, zu hören sind allein noch die Kamera-Klicks. Die Leute sind hingerissen von diesem so einzigartigen imposanten Stückchen Wald.


Bald schon erkennt man die Nordseite der Insel und Fanal wird erreicht. Hier gibt’s einen Parkplatz, eine kleine Grillstelle und ganz viele alte, mystische Stinklorbeerbäume. Auch sie freue sich über eine Umarmung. Bald wird man jedoch feststellen, dass eine Person nicht ausreicht, um den mächtigen Stamm zu umschliessen.


Facts zu PR 13, Vereda do Fanal

Distanz: 10.8 km

Zeitdauer: 3.5 - 4h Höchster Punkt: 1420m Tiefster Punkt: 1130m


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